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Unterwasseraufnahmen mit dem iPhone

Mit dem iPhone tauchen

Testaufnahme iPhone 6s (Zum Vergrößern klicken)

Gleich zu Beginn muß ich zugeben, daß ich als vor einigen Jahren die ersten Unterwassergehäuse für das iPhone herauskamen, mir ziemlich schnell mit dem Finger an die Stirn getippt habe. Bitte, wer ist denn so verrückt ein hochpreisiges Smartphone mit unter Wasser zu nehmen? Noch dazu, wo die Nachteile ganz offensichtlich auf der Hand liegen. Dringt Wasser ein, ist nicht nur eine Kamera im Eimer, sondern auch gleich der Kalender, das Adreßbuch, das Fotoalbum, die Kommunikation mit der Außenwelt… und so weiter. Darüber hinaus war die Bildqualität der iPhones in der Vergangenheit gelinde gesagt nicht wirklich tauglich für Aufnahmen bei schlechtem Licht und die Auslöseverzögerung gigantisch. Oder zumindest lange genug, um erst dann auszulösen, wenn der Fisch bereits jenseits aller Korallen war.

Testvideo: iPhone 6s im Nauticam Unterwassergehäuse

Doch die Welt bleibt nicht stehen. Technik entwickelt sich weiter. So auch die Kameras in den iPhones. Dennoch brauchte ich für das folgende – nicht ungefährliche Experiment – noch ein paar gute Argumente.
Eines davon kam von meinem Lieblingskamerahersteller Canon. Aus mir nicht vollständig schlüssigen Gründen weigert sich Canon offenbar 4k-Videoauflösung in Kompaktkameras zu verbauen. Während Hersteller wie Sony und Panasonic es ihren Kunden durchaus zumuten in der neuen Videoauflösung zu filmen, wird dies bei Canon auf absehbare Zeit noch nicht einmal bei hochpreisigen Kompakten oder DSLRs, sondern nur mit teuren Profi-Camcordern möglich sein. Damit disqualifiziert sich Canon für meine Anwendungszwecke und ich bin auf der Suche nach (günstigen) Alternativen. Denn inzwischen spendieren selbst Handy-Hersteller wie Apple ihren Geräten die neue 4k-Auflösung.
Aber Achtung, wer jetzt glaubt, er könne mit dem iPhone 6s unter Wasser in 4k filmen, der sei gewarnt. Die derzeit aktuelle App von Nauticam, die für die Bedienung des iPhones im Gehäuse nötig ist, kann den Sensor der Kamera leider nur in FullHD auslesen, da die App noch für das alte iPhone 6 gemacht ist.

Eine Anfrage an Nauticam, ob es denn ein Update der App in Sachen 4k geben würde, brachte nur den Hinweis, daß sowohl Gehäuse als auch App für das iPhone 6 wären, man allerdings die Entwickler fragen werde, wie aufwendig eine solche Umstellung wäre.
Es liegt also derzeit an Nauticam, ob man in Zukunft mit dem iPhone 6s unter Wasser in 4k drehen wird können.

Soviel kurz vorab. Kommen wir zum eigentlichen Thema dieses Experiments. Ist es möglich mit einem iPhone 6s unter Wasser qualitativ gute Aufnahmen zu machen? Und ist es überhaupt möglich ein Gehäuse zu haben, das das iPhone sicher schützt? Schauen wir es uns der Reihe nach an…

1. iPhone unter Wasser. Vor- und Nachteile gegenüber einer Kompaktkamera
2. Nauticam Gehäuse für das iPhone
3. iPhone 6s – Testaufnahmen unter Wasser
4. Fazit: Ist das iPhone eine Alternative zur Kamera?

 

1. iPhone unter Wasser. Vor- und Nachteile gegenüber einer Kompaktkamera

Kommen wir gleich zu Beginn zu den Vorteilen, denn diese sind wenige und daher entsprechend übersichtlich. Sie lauten: Das iPhone ist immer mit dabei, es ist also nicht nötig eine zusätzliche Kamera mitzunehmen oder gar erst noch zu kaufen.
Hat man die Aufnahmen im iPhone kann man sie problemlos posten und teilen, man muß also keinen Laptop mitnehmen, um die Aufnahmen herunterzuladen und ins Netz zu stellen.

Mit dem iPhone tauchen

Testaufnahme iPhone 6s (Zum Vergrößern klicken)

Doch was sind die Nachteile? Einen davon haben wir schon angesprochen. Wenn etwas schiefgeht, ist das digitale Leben hin und bis zu eintausend Euro sind im Klo runtergespült. Denn die Garantie greift bei Wasserschäden natürlich nicht. Da wäre Apple ja schön blöd…
Ein weiterer Nachteil ist der Akku des iPhones. Filmt man viel ist der relativ schnell leer. Und man kann ihn nicht austauschen… Für einen gemütlichen Tauchgang mag das ok sein, doch sobald man einen zweiten macht, sollte man eine Powerbank dabeihaben um es schnell während der Oberflächenpause nachzuladen. Dazu muß man es natürlich aus dem Unterwassergehäuse nehmen. Was auf einem Boot oder am Strand eventuell eine sehr, sehr schlechte Idee ist.
Ein weiterer Nachteil ist der im Vergleich zur Canon G7 X  natürlich winzige Sensor. Dieser kleine Sensor rauscht bei wenig Licht oder bei schlechten Lichtverhältnissen, die man unter Wasser öfter mal hat, natürlich wie sau. Aufnahmen bei wenig Licht sind mit dem iPhones 6s also absolut unbrauchbar. Man sollte also immer für gutes Licht unter Wasser sorgen. Das kann allerdings bei besseren Kameras auch nicht schaden.

Auch kann man bei Videos nicht zoomen, obwohl dies auch ein neues Feature des iPhones 6s ist. Doch die Nauticam-App unterstützt es (noch) nicht.
Nahlinsen mit 32mm-Gewinde, wie sie für das UW-Gehäuse nötig werden kann man sich bestenfalls bei eBay ersteigern. Ob, diese auch für den Salzwassereinsatz geeignet sind, lassen wir mal dahingestellt. Will man also mit dem iPhone unter Wasser Makros machen, muß man sich etwas basteln, sollte die Nahbildfunktion des iPhones einem nicht ausreichen.

2. Nauticam Gehäuse für das iPhone

Der chinesische Hersteller Nauticam stellt schon seit einiger Zeit sehr solide und zuverlässige Gehäuse aus Aluminium für Kameras aller Art her. Unter anderem seit einem Jahr auch für das iPhone 6, das auch für das iPhone 6s perfekt paßt. Daher war dieses Gehäuse auch meine erste Wahl. Das Gehäuse für das iPhone ist zwar nur aus Kunststoff – in blau oder gelb 🙁  – jedoch ist es sehr solide ausgeführt und übertrifft in der Verarbeitungsqualität das Kunststoffgehäuse von Canon, das ich für meine G7 X verwende, bei weitem. Es macht also einen durchaus zuverlässigen Eindruck.
Außerdem verfügt es über einen sehr sicheren, aber dennoch leicht zu bedienenden Verschluß. Den Verschluß eines Mitbewerbers konnte ich gar nicht erst problemlos öffnen, daher kam für mich im Prinzip nur das sehr intuitive Gehäuse von Nauticam in Frage.

Mit dem iPhone tauchen

Testaufnahme iPhone 6s (Zum Vergrößern klicken)

Um das Gehäuse nutzen zu können, benötigt man wie erwähnt eine App. Denn wie sonst soll man das iPhone, das fast komplett auf eine Bedienung per Touchscreen ausgelegt ist bedienen? Und hier liegt natürlich der Teufel im Detail. Ist die App nicht aktuell, etwa weil Nauticam sie nicht nach dem Erscheinen eines neuen iOS auf den aktuellen Stand gebracht hat, läuft sie evtl. nicht richtig oder stürzt im entscheidenden Moment ab. Das wäre dann natürlich nicht so schön.
Das Gehäuse verfügt über eine runde flache Scheibe mit der im Inneren des Gehäuses Finger bewegt werden, die das Display des iPhones berühren. Ein sehr gewöhnungsbedürftiger Vorgang! Doch das alles funktioniert natürlich nur, wenn die App zuvor gestartet und ins Dock abgelegt wurde. Außerdem ist es nötig das iPhone in den Einstellungen so einzustellen, daß es bei Berührung wieder aus dem Stand-by aufwacht und auf keinen Fall nach einem Code zum Entsperren fragt, nachdem es sich automatisch verriegelt hat. All dies steht aber ausführlich in der kurzen Beschreibung zum Gehäuse.
Eine schmale Gummidichtung sorgt übrigens für die zuverlässige Dichtigkeit des Unterwassergehäuses. Zu meiner großen Überraschung lag sogar noch ein Ersatzdichtungsring mit bei. Die Dichtung des Gehäuses sollte jährlich ersetzt werden. Und natürlich sollte man das Gehäuse zuerst einmal leer mit auf Tiefe nehmen, bevor man sein iPhone darin unterbringt.

Mit der App bedient man die Fotokamera und die Videokamera. Außerdem bietet sie ein elektronisches Logbuch, dessen Sinn in dieser App sich mir nicht erschließt. Denn wenn ich schon ein elektronisches Logbuch führe, dann lese ich die Daten aus meinem Tauchcomputer aus und klopfe sie nicht mühsam per Hand in mein iPhone.
Stattdessen hätte Nauticam der App besser eine Möglichkeit zur Korrektur des Weißabgleichs spendieren sollen. Diese fehlt leider und macht sich als großer Minuspunkt bemerkbar. Denn die einzige Möglichkeit das Video nun halbwegs mit passenden Farben aufzunehmen ist die über ein aufschraubbares Rotfilter, das man natürlich extra kaufen muß und das permanent vor der Linse sitzt. Was sehr schlecht ist, denn verfügt man über Kunstlicht, wird die Aufnahme entweder zu warm oder man schraubt das Filter unter Wasser ab und später wieder auf… Nein besser nicht!
Im Großen und Ganzen scheint man sich bei Nauticam aber dennoch nicht nur viele Gedanken über den Bau eines sicheren Gehäuses gemacht zu haben, sondern auch darüber wie man darin ein Smartphone bedient.

Doch die App sollte deutlich funktionaler sein. So kann man nur im Fotomodus zoomen, obwohl das iPhone 6s auch Zoom im Videomodus erlaubt. Auch die nicht vorhandene Möglichkeit den Weißabgleich manuell oder wenigstens automatisch auf die Lichtsituation unter Wasser anzupassen schmerzt spürbar. Fairerweise sei gesagt, daß alles bis auf den fehlenden Weißabgleich der Tatsache geschuldet ist, daß es derzeit kein Update der App für das neue iPhones 6s gibt, obwohl Möglichkeiten wie 4k-Video, Videozoom echte Verkaufsargumente für das UW-Gehäuse wären.

3. iPhone 6s – Testaufnahmen unter Wasser

Mit dem iPhone tauchen

Testaufnahme iPhone 6s (Zum Vergrößern klicken)

Hier lassen wir am besten Fotos und Videos für sich selbst sprechen. Ein Bild sagt schließlich mehr als tausend Worte. Die hier gezeigten Fotos wurden nicht verändert, wurden jedoch mit einem Rotfilter aufgenommen. Um die Fotos in voller Größe zu sehen, bitte auf das jeweilige bIld klicken.
Die Unterwasseraufnahmen im Video zu Beginn dieses Artikels wurden lediglich zusammengeschnitten und ohne weitere Korrektur bei YouTube hochgeladen, ach ja und der Rotfilter war natürlich auch drauf. Es ist übrigens ein ziemliches Gefummel den Rotfilter anzuschrauben, wenn man bereits im Wasser ist, und das muß man, denn macht man es nicht und es befindet sich noch Luft zwischen Filter und Gehäuse, läuft dieser Zwischenraum langsam voll, was einige interessante Effekte, aber keinen guten Aufnahmen ergibt. Und all diese Umstände nur, weil ein Unterwasergehäusehersteller lieber Geld für ein überflüssiges Logbuch statt einem einstellbbaren Weißabgleich ausgegeben hat…
Unterm Strich kann man jedoch sagen, daß die Kamera des iPhone 6s sich in Kombination mit dem Nauticamgehäuse ganz gut schlägt. Auch wenn es, und das sei hier nochmals in aller Deutlichkeit gesagt, aufgrund der veralteten Nauticam-App KEINE 4k-Videos ermöglicht.

4. Fazit: Ist das iPhone eine Alternative zur Kamera?

Die klare Antwort: Jein. 🙂
Dank des soliden Nauticam Unterwassergehäuses kann man sehr sicher sein, daß das iPhone den Unterwasserausflug überlebt. Zumindest, wenn man sich an das Handbuch hält und vor jedem Tauchgang peinlich genau auf Verschmutzungen des Dichtungsrings achtet.
Dennoch… Das Gehäuse ist breit und sperrig und ist mitsamt iPhone sehr leicht und damit wiederum nur schwer unter Wasser stabil zu halten. Die Bildstabilisation im iPhone 6s gelangt schnell an ihre Grenzen und nicht zoomen zu können, wenn man an etwas scheuere Fische heran will, torpediert den ernsthaften Einsatz als vollwertige Unterwasserkamera.

Aber… Wenn man mit dem iPhone eh schon im Urlaub unterwegs ist, hat man mit einen Unterwassergehäuse einen hervorragenden Schutz vor Regen und Sand und kann sich damit auch mal unter einen Stadtbrunnen stürzen und Aufnahmen machen, die anderen Foto-/Videografen verwehrt sind. Auch zum Tauchen bis 40m Tiefe taugt es und die Bildqualität kann bei den meisten Lichtsituationen durchaus mit der von Kompaktkameras mithalten. Aufgrund der Einschränkungen in Sachen Akku und Akkulaufzeit (1 bis max. 2 Tauchgänge sind pro Akkuladung machbar) sowie Bedienbarkeit ist ein iPhone in einem Unterwassergehäuse meiner Meinung nach nur als Ergänzung bzw. Notreserve für bestehendes Kameramaterial zu verstehen und nicht wirklich für den Dauereinsatz geeignet. Es sei denn, man ist Gelegenheitstaucher oder Schnorchler, der einen Tauchgang pro Tag macht. Dann kann diese Kombination durchaus sinnvoll und vollwertig sein.
Auf keinen Fall würde ich es als einzige Kamera mit in den Urlaub nehmen. Aber es ist gut zu wissen, daß mein Telefon in Zukunft zur Not als Reserve-Unterwasserkamera zur Verfügung stehen kann. 4k hin oder her… 🙂

Weiterführende Links: Nauticam

| Stand: 30. Oktober 2015