Will man Tiere unter Wasser filmen und dabei nicht völlig frustriert werden, gilt es ein paar Besonderheiten des Lebensraums Wasser zu beachten. Schon jedem, der eine Kamera auf einen Fisch im Meer gehalten hat ist es aufgefallen: unter Wasser gelten scheinbar andere Regeln als an Land.
Schwimmt ein Fisch direkt auf einen anderen Fisch zu, so bedeutet dies meist: Ich will dich fressen! Kein Wunder also, daß die meisten Meeresbewohner vor den riesigen Neoprenfischen flüchten, die mit ausgestreckter Kamera auf sie zuhalten.
Neben einem gewissen physikalischen Verständnis über die Zustände unter Wasser und wie man sie in den Griff bekommt, die in diesem Artikel nachgelesen werden können, ist es auch unabdingbar etwas über die zu filmenden Tiere und deren Lebensraum zu wissen. Denn anders als Tierfilmer an Land, die mit langen Brennweiten bewaffnet in Büschen versteckt, stundenlang und tagelang darauf warten das gewünschte Tier aus großer Entfernung zu filmen oder fotografieren zu können, müssen Unterwasserfilmer nahe an die Tiere ran, wenn sie ein gutes Ergebnis erzielen wollen. Außerdem haben sie aufgrund des begrenzten Luftvorrats nicht stundenlang Zeit ihr Bild in den Kasten zu bekommen.
1. Nah ran an den Fisch!
Wasser hat mehrere für das Filmen oder Fotografieren ungünstige Eigenschaften. Eine davon ist der Graufilter-Effekt. Je weiter ich von meinem zu fotografierenden/filmenden Fisch entfernt bin, desto mehr Schwebeteilchen befinden sich zwischen Fisch und Kamera. Dies führt zu verwaschen aussehenden Aufnahmen. Wenn sich der eine oder andere nun denkt mit der Betätigung des Zooms könnte man dem abhelfen, so kann ich dies nur Verneinen, denn der Zoom der Kamera ist unter Wasser so gut wie nutzlos, da er nichts weiter macht als die Perspektive und damit auch alle Partikel im Wasser zusammenzustauchen und somit auch nur für verwaschene Aufnahmen zu sorgen. Zoomen kann ich nur, wenn ich bereits nah am Objekt bin und zum Beispiel Makroaufnahmen machen will, ansonsten ist der Zoom unter Wasser relativ nutzlos.
Es hilft also nichts, wir müssen nah ran an den Fisch. Unterwasserfotografie ist Weitwinkelfotografie, dies haben schon die ersten Pioniere bemerkt. Doch nicht jedes Tier erlaubt eine Annäherung. Erfolgt diese mit hektischen Bewegungen funktioniert die Aktion selbst bei dem geduldigsten Meeresbewohner nicht. Es gilt also als allererste Regel: Ruhe bewahren! Und da nur die wenigsten von uns mit einem Rebreather tauchen, gilt es ebenso die eigene Atmung zu kontrollieren. Dies sollte man nicht nur aus Gründen der richtigen Tarierung tun, mit der wir jede Menge Schäden am Ökosystem Korallenriff vermeiden können, sondern auch um ruhige unverwackelte Aufnahmen zu bekommen. Darüber hinaus werden wir auch bemerken, daß je länger wir ruhig und mit möglichst wenig Luftblasen vor Ort verharren, die Tiere um uns herum uns nicht länger als Bedrohung empfinden. Ruhe, eine perfekte Tarierung und eine entspannte Atmung sind die drei Punkte, die die Grundlage für gute Aufnahmen unter Wasser sind.
2. Das Umfeld kontrollieren!
All diese Ruhe nützt uns allerdings nichts, wenn wir Teil eines Taucher-Rudels sind, das durch das Riff pflügt. Zwar ist es gerade im Urlaub verführerisch sich von einem Guide zusammen mit vier oder sechs anderen Tauchern durchs Riff führen zu lassen, doch die Ausbeute an verwertbaren Aufnahmen sinkt dabei deutlich. Zwar kennen die Guides ihre Riffe perfekt und können einen zu den besten Spots und Tieren führen, doch es bleibt eigentlich nicht aus, daß einige in der Gruppe sich nicht beherrschen können und unbedingt ein Foto machen wollen. Auf Gedeih und Verderb geht dann das Hauen und Stechen am Riff los. Die Schildkröte ist dann längst entwischt und niemand hat etwas wirklich Gutes in den Kasten bekommen und bei dem nächsten Highlight am Riff geht es wieder von vorne los.
Läßt es sich gar nicht vermeiden in einer Gruppe zu tauchen, etwa weil es sich um einen geschützten Meeresteil handelt, der prinzipiell nur mit Guide betaucht werden darf, so habe ich meine besten Aufnahmen etwas abseits der Gruppe machen können. Manchmal werden die Tiere sogar auf einen zugetrieben, weil so mancher Taucher nicht weiß, daß er keine große Chance hat, wenn er einem Meeresbewohner hinterher hechelt. Es empfiehlt sich beim Rudeltauchen also die Augen offen zu halten, für Stellen und Positionen, die vorteilhaft sein können. Am besten ist jedoch, man taucht allein mit seinem Buddy und nimmt dadurch in Kauf so manche Sensation nicht zu entdecken, dafür aber die Tiere, die einem begegnen in aller Ruhe abbilden zu können. Oder man wählt die etwas teurere Variante und nimmt sich nur zu zweit einen Guide von dem man sich in aller Ruhe die Schätze vor Ort zeigen läßt.
3. Sich selbst kontrollieren!
Es sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein, daher kommt dieser Punkt hier erst an dritter Stelle. Ohne eine perfekte Tarierung werden die Aufnahmen nichts, dafür leiden die Korallen aber umso mehr. Beherrsche ich meine Tarierung also, kann die Kamera auch mit ins Wasser. Vielen Anfängern fällt es mit einer Kamera in der Hand sogar leichter sich zu tarieren, da sie nun ohne groß nachzudenken Bezugspunkte am Riff anvisieren und mit unbewußter Lungentarierung genau alles richtig machen.
Aber auch die Flossen wollen kontrolliert werden. Benutzt man sie richtig, so können sie einiges zur Stabilität im Wasser beitragen. Mit etwas Übung sollte man früher oder später auch in der Lage sein rückwärts zu schwimmen, damit man sich ohne sich von Korallen abstoßen zu müssen vom Riff wegbewegen kann.
Apropos von Korallen abstoßen… Was ebenso tabu ist, ist sich an Korallen festzuhalten um eine Aufnahme machen zu können. Dies ist eine Unsitte, die man immer wieder sehen kann. Den absoluten Vogel in diesem Zusammenhang haben bei mir einmal zwei nach PADI ausgebildete Master Scuba Diver abgeschossen, die trotz ihrer angeblich über dreihundert Tauchgänge kaum ein Bild machen konnten ohne sich dabei am Riff festzuhalten.
Ebenso tabu sollte der Einsatz von Riffhaken sein, auch wenn es für diesen Ausnahmen gibt. Etwa, wenn es möglich ist ihn an einem Stein oder einem unbelebten Stück Koralle zu befestigen oder gar im Notfall, wenn es die eigene Sicherheit gebietet. Ansonsten, weg mit den Dingern. Ebenso alle anderen Stangen, Stöcke und Stative, die man zur Bildstabilisierung ins Korallenriff zu knallen meint. Kann man eine Aufnahme nicht ohne solche Hilfsmittel machen, dann macht man sie eben nicht!
4. Nicht alle paar Monate eine neue Kamera kaufen!
Ein oft verbreiteter Irrglaube scheint zu sein, wenn in dem einen Urlaub die Aufnahmen nicht wie gewünscht gelungen sind, dann kann es nur an der Kamera gelegen haben und ein neues, natürlich viel besseres Modell muß her.
Dabei befindet sich das Problem häufig nicht in, sondern hinter der Kamera. Gerade unter Wasser sollte man seine Kamera blind bedienen können und deren Verhalten bei verschiedenen Lichtsituationen kennen. Dies kann man nur durch – wir ahnen es schon – üben, üben und nochmals üben. Die wenigsten Kameramodelle der Mittelklasse, und dabei ist es erstmal egal, ob es ich um einen Camcorder, einen kompakten Fotoapparat oder eine ActionCam handelt, machen so schlechte Aufnahmen, daß man die Ergebnisse wirklich nicht gebrauchen kann. Oft sind falsche Einstellungen oder die Unkenntnis der unter Wasser vorherrschenden Bedingungen das eigentliche Problem.
5. Es heißt bewegte Bilder, nicht bewegte Kamera!
Die Kamera sollte während der Aufnahme nicht bewegt werden. Je weniger die Kamera schwankt, desto dankbarer wird das Publikum später für die vermiedene Seekrankheit sein. Diese Stabilität erreicht man, indem man zum einen perfekt tariert ist, die Kamera mit beiden Händen an einem Griff hält, der optimaler Weise über einen Gurt am Nacken gespannt ist und dabei die Luft anhält. Beim Anhalten der Luft (ja, ich weiß, niemals die Luft anhalten…) ist es sehr wichtig darauf zu achten nicht nach oben zu gehen. Auch kleine positive Höhenänderungen sind hier der Gesundheit zuliebe absolut verboten.
Wenn man einen Fisch mit der Kamera verfolgen will, also zum Beispiel vom linken zum rechten Bildrand, dann sollte man dies mit einer fließenden, langsamen Bewegung machen und den Fisch auch irgendwann aus dem Bild herausschwimmen lassen. So sagt man dem Zuschauer, daß diese Szene nun vorbei ist. Aber Achtung! Nicht zu schnell die Aufnahme beenden. Die besten Dinge passieren oft, nachdem man Stop gedrückt hat.
6. Während der Aufnahme nicht zoomen!
Der Zoom sollte unter Wasser, wenn überhaupt, dann nur zur Bildkomposition verwendet werden. Ein- und Auszoomen während der Aufnahme wirkt sehr störend. Also vorher zoomen! Noch besser: Wenn wir näher an ein Objekt heran wollen, benutzen wir nach Möglichkeit unsere Flossen dafür.
7. Nicht mit dem Speicher geizen!
Die Preise von SD-Karten und Festplatten kennen nur eine Richtung, und die geht nach unten. Also sollte als logische Konsequenz daraus immer viel gefilmt werden. Besonders bevor die eigentliche Action losgeht, kann man schon den Auslöser drücken und auch unterschiedliche Kamerapositionen ausprobieren. Die Aufnahmen die man auf jeden Fall im Kasten haben sollte, sind die Totale, einen Medium-Shot und ein Close-up des gewünschten Objekts. So läßt sich das Erzählen der Geschichte im Schnitt besser gestalten.
8. Der richtige Weißabgleich unter Wasser!
Zugegeben, mit diesem Thema alleine könnte man schon ganze Bände füllen. Doch beschränken wir uns auf die Mittel, die ein Urlaubstaucher zur Verfügung hat. Hat die Kamera eine Voreinstellung für Unterwasseraufnahmen, dann sollte man diese auch auf jeden Fall verwenden. Bis in Tiefen von ca. 10-15m kann man damit noch etwas Farbe bei Aufnahmen mit natürlichem Licht herauskitzeln. Hat die Kamera keinen solchen speziellen Weißabgleich verfügt sie aber mit Sicherheit über eine Automatikfunktion. Nur wie bringt man dieser bei, welche Farbe in 15m Tiefe weiß zu sein hat. Ein einfacher Trick ist, die Kamera nach Beginn der Aufnahme kurz nach oben zur Wasseroberfläche zu schwenken und so das Weiß der Sonnenscheibe zu nutzen. In der Postproduktion kann man diese dann als Referenz für die anstehenden Farbkorrekturen und den nachträglichen Weißabgleich am Rechner nutzen. Auch weißer Sand kann übrigens diesem Zweck dienen, ebenso eine mitgebrachte Weißkarte, die man kurz ins Bild hält. Noch praktischer wäre es dem Buddy weiße Flossen zu schenken…
Als Alternative gibt es auch die Möglichkeit Rotfilter zu verwenden. Diese liefern auch oft bis in 15m Tiefe ganz gute Aufnahmen, doch sollte man nicht vergessen, daß sie auch Licht schlucken und je billiger sie sind, unschärfere Ergebnisse liefern als Kameras die ohne Rotfilter auskommen.
Ist man tiefer oder bei Nacht unterwegs, hilft nur noch der Einsatz von Kunstlicht. Dieses funktioniert auch, wenn man flacher taucht, aber die oben genannten Möglichkeiten (aus welchen Gründen auch immer) nicht zur Verfügung hat. Doch Kunstlicht ist kein Allheilmittel. Kunstlicht ist teuer, macht die Ausrüstung sperrig und hat nur eine geringe Reichweite.
9. Üben, üben, üben!
Es ist noch kein Meister vom Himmel gefallen und Filmen unter Wasser erfordert jede Menge Übung. Die eigene Ausrüstung sollte man im Schlaf beherrschen können. Auch unter Stickstoffeinfluß! Daher wäre es natürlich hervorregend, wenn man bereits daheim so viel wie möglich übt. Das gilt gerade für neues Equipment! Ein Urlaub ist meist zu teuer, um ihn mit dem langsamen Erlernen von Aufnahmetechniken zu verbringen.
Dennoch wird es immer wieder passieren, daß man tolle Aufnahmen verpaßt, weil man zu spät dran war oder schlicht nicht fest genug auf den Aufnahmeknopf gedrückt hat. Hier hilft es nur, sich ordentlich in den Hintern zu beißen und weiterzumachen.
>> weiter zu 3. Postproduktion von Unterwasserfilmen und deren Marketing
Ein toller Leitfaden, sehr informativ und deckt sich nahezu mit meinen Erfahrungen.
VG.Dirk P
Die Tipps sind sehr informativ und leicht verständlich erklärt. Jedoch hätte ich noch ein Thema auf das hier nicht hingewiesen wird. Benötigt man bei einem künstlichen Licht noch den Weißabgleich auf den verschiedenen Tauchtiefen oder stellt sich der Weißabgleich hier als eine Konstante dar.
für eine Antwort danke ich im Voraus.
Hallo Memo,
bei wenig Umgebungslicht, also bei Nachttauchgängen und in großen Tiefen, bzw. wenig Umgebungslicht ist der Weißabgleich konstant. Auch bei Makroaufnahmen kann man das Umgebungslicht vernachlässigen und einfach einmal den Weißabgleich auf das Kunstlicht machen.
Bei allen anderen Mischlicht-Situationen würde ich vorsichtshalber zu einem zusätzlichen manuellen Weißabgleich raten.
Schönen Gruß!
Andreas
Hallo Andreas,
danke für die Antwort !
Guten Tag,
ich fliege demnächst nach Agypten, meine Frau hat bestimmt und da „muss“ nun geschnorchelt werden.
Da es schlicht und ergreifend unbezahlbare Tipps gibt, bin ich sehr dankbar, hier wieder gelernt zu haben.
Ich danke ganz herzlich…
Vielen Dank für das Feedback. Wir freuen uns geholfen zu haben und hoffen, der Urlaub war (oder wird) wundervoll!